
Das aktive und passive Wahlrecht sind herausragende Bürgerrechte in der Demokratie. Es ist jetzt bereits absehbar, dass sich das Verhältnis zwischen jüngeren und älteren Wählergruppen weiter zu Gunsten der älteren Wähler*innen verschieben wird. Werden durch diese Entwicklung auch zunehmend politische Entscheidungen zu Ungunsten der jüngeren Generation getroffen?
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stellt sich die Frage, ob und mit welchem Wahlalter Generationengerechtigkeit hergestellt werden kann. Das Projekt "Zum Wählen zu jung? Die Altersfrage – Wahlrecht und Generationengerechtigkeit" hat diese Frage zum Thema gemacht und Jugendlichen die Gelegenheit gegeben, darüber mit Vertreter*innen der älteren Generation zu diskutieren. Das Projekt lief von August 2014 bis November 2015.
Intergenerative Lerngruppen
Im Rahmen des Projektes wurden intergenerative Bildungssettings zum Thema "Wahlalter und Generationengerechtigkeit" organisiert. Das heißt, Jugendliche aus örtlichen Jugendgruppen kamen mit Vertretern aus dem Seniorenbeirat oder einer Einrichtung der Seniorenarbeit z. B. in wöchentlich wiederkehrenden Treffen oder während eines Wochenendseminars zusammen.
Die Lerngruppen befassten sich dabei u.a. mit folgenden Fragestellungen:
- Welche Bedeutung besitzen das aktive und das passive Wahlrecht für die Demokratie?
- Welche Gründe gibt es für unterschiedliche Bestimmungen des Wahlalters in den Kommunen, den Ländern und im Bund?
- Kann eine eigenständige Jugendpolitik für die Sicherung der Interessen junger Menschen sorgen?
- Wie kann ein Interessensausgleich zwischen den Generationen bei politischen Entscheidungen verwirklicht werden?
- Welche Relevanz besitzt das demokratisch verfasste Wahlrecht für die Integration von Migrant*innen?
- Wie können junge Menschen motiviert werden, das passive Wahlrecht wahrzunehmen und sich damit aktiv in die Gestaltung der Demokratie einzubringen?
Townhall-Meetings
Neben der Auseinandersetzung mit diesen Fragen bereiteten die intergenerativen Lerngruppen eine öffentliche Veranstaltung in ihrer Stadt als "Townhall-Meeting" vor.
Das Townhall-Meeting ist eine Form der Bürgerbeteiligung, die in den USA eine lange und erfolgreiche Tradition besitzt. Bei diesem informellen, öffentlichen Treffen ist jeder eingeladen, seine Meinung zu äußern und die Vertreter*innen der Öffentlichkeit bzw. gewählte Repräsentant*innen zu befragen.
Das Townhall-Meeting bot den Raum zur öffentlichen Präsentation der jeweiligen Seminarergebnisse. Das Thema konnte so anhand gemeinsam erarbeiteter Thesen mit Politiker*innen bzw. Vertreter*innen der Zivilgesellschaft diskutiert werden. Struktur und Kultur der Debatte sollten dabei als Beispiel für eine konstruktive generationenübergreifende Auseinandersetzung mit dem Thema stehen.
Alle Townhall-Meetings wurden aufgezeichnet und dokumentiert. Im Folgenden sind Berichte und Fotos zu den im Projekt stattgefundenen Townhall-Meetings zusammengestellt:
- Townhall-Meeting am 16. April 2015 im Rathaus Charlottenburg (Berlin) - Projektpartner: Jugendbildungsstätte Kaubstraße, Berlin
- Townhall-Meeting am 17. April 2015 im Kulturrathaus (Dresden) - Projektpartner: Herbert-Wehner-Bildungswerk, Dresden
- Townhall-Meeting am 16. Juni 2015 im Neuen Rathaus (Bielefeld) - Projektpartner: Haus Neuland, Bielefeld
- Townhall-Meeting am 19. Juni 2015, Bad Salzufflen - Projektpartner: Arbeitskreis Entwicklungspolitik e. V., Vlotho
Projekt mit Modellcharakter für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe
Die politische Jugendbildung konzentriert sich durch ihr Prinzip des Lebensweltbezuges vornehmlich auf ihre Zielgruppen im Kindes- und Jugendalter. Mit dem Projekt wurden Ansätze generationsübergreifender Aktivitäten in der Kinder- und Jugendhilfe ausgeweitet – mit gutem Grund:
Der demografische Wandel führt zu verschiedenen lokalen Problemstellungen. Zur Lösung dieser Probleme sollten die Generationen vor Ort miteinander ins Gespräch kommen. Insbesondere die politische Bildung ist dazu geeignet, Bildungsangebote für Menschen verschiedener Generationen zu entwickeln, um in Gemeinden und Stadtteilen Möglichkeiten einer generationsgerechten Teilhabe zu entwickeln. Die Kinder- und Jugendhilfe kann im Rahmen ihrer politischen Bildung auf eine Vielzahl von Methoden und Formaten zurückgreifen, die diesen gemeinsamen Bildungsprozess befördern können.
Ergebnisse
Eine Projekt-Steuerungsgruppe begleitete alle Aktivitäten, koordinierte die Veranstaltungen und wertete die Ergebnisse aus. Als ein Ergebnis wurde ein Handbuch für Einrichtungen der politischen Bildung erarbeitet, das die Erfahrungen des Projekts bei der Realisierung generationsübergreifender Veranstaltungen in der politischen Bildung zusammenfasst. Die Broschüre "Zum Wählen zu jung? Das Wahlrecht als Thema intergenerativer politischer Bildung" kann in der Geschäftsstelle des AdB bestellt werden und steht hier zum Download bereit.
Projektpartner
- Arbeitskreis Entwicklungspolitik e.V.
- Europahaus Aurich
- Haus Neuland e.V.
- Herbert-Wehner-Bildungswerk e.V.
- Alte Feuerwache e.V. - JBS Kaubstraße
Aktuelles aus diesem Bereich
Zum Wählen zu jung? Das Wahlrecht als Thema intergenerativer politischer Bildung
Broschüre zum AdB-Modellprojekt erschienen
Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) hat eine Broschüre mit dem Titel „Zum Wählen zu jung? Das Wahlrecht als Thema intergenerativer politischer Bildung“ veröffentlicht. In dieser Broschüre werden die Themen Wahl- und Beteiligungsrechte sowie Generationengerechtigkeit in den Fokus gerückt und es wird vorgestellt, wie diese Themen generationenübergreifend diskutiert und bearbeitet werden können. Als neue Methode für die politische Bildung wird das „Townhall-Meeting“ vorgestellt, das es Alt und Jung ermöglicht, eigene Erfahrungen, Meinungen und Positionen in die Öffentlichkeit zu tragen und diese mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft zu diskutieren.
„Ehrliche Politik machen“
Erstes Bielefelder Townhall-Meeting zum Wahlrecht
Alle Stühle im fensterlosen Großen Saal des Bielefelder Rathauses waren besetzt, als am 16. Juni 2015 das Townhall-Meeting im Rahmen des AdB-Projekts „Zum Wählen zu jung? Die Alterfrage – Wahlrecht und Generationengerechtigkeit“ startete. Die Bielefelder Bildungsstätte Haus Neuland hatte das Townhall-Meeting organisiert und konnte dazu die 1. Bürgermeisterin der Stadt und Mitglieder des Stadtrates, des Seniorenrates und der Stadtschülervertretung begrüßen. Vorbereitet wurde die Veranstaltung von Jugendlichen und Senioren, die sich zuvor in mehreren Workshops in Haus Neuland über die Frage ausgetauscht hatten, ob das bestehende Wahlrecht noch zeitgemäß sei und alle Generationen angemessen berücksichtige. Sie stellten ihre Workshop-Ergebnisse zur Diskussion.
Das Rathaus wird zur Town Hall
Erste generationsübergreifende Debatten zur Wahlgerechtigkeit in Berlin und Dresden
Ab wann ist man alt genug, um begründete politische Entscheidungen zu treffen? Ist es gerecht, dass die Älteren bei Wahlen alleine entscheiden? Und was bedeutet das eigentlich vor dem Hintergrund, dass es immer mehr ältere und immer weniger junge Menschen in Deutschland gibt? Diese und weitere Fragen stehen im Mittelpunkt eines Modellprojektes des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten. „Zum Wählen zu jung? Die Altersfrage – Wahlrecht und Generationengerechtigkeit“ ist der Titel dieses Projektes, in dem insgesamt fünf Mitgliedseinrichtungen des AdB mitwirken. Ihr Ziel ist es, das aktive und passive Wahlrecht als herausragende Bürgerrechte in der Demokratie im Rahmen intergenerativer Diskurse zum Thema zu machen und zu diskutieren, ob und mit welchem Wahlalter Generationengerechtigkeit bei einer sich demografisch stark wandelnden Gesellschaft hergestellt werden kann. Das zweijährige Vorhaben wird mit Mitteln aus dem Innovationsfonds Eigenständige Jugendpolitik des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
Foto: © Herbert-Wehner-Bildungswerk
